Freitag, 30. April 2010

Sara Baker is on Fakebook


«Es gibt ungefähr so viele unterschiedliche Motive zu bloggen, wie es Blogger gibt», schreibt Blogger Ugugu Kowalski im Kommentarteil dieses Blogs. Stimmt. Es gibt viele Blogger. Es gibt aber auch den digital-religiösen Mainstream, dem dieses Blog immer wieder sein Augenmerk schenkt. Einer der verblendetsten Digital-Religiösen ist bekanntlich Ronnie Grob. Wir erinnern uns an sein unsterblich-flachsinniges Bonmot:

«Bei Inhalten, die in einem persönlichen Blog oder auf einer persönlichen Facebook-Seite publiziert werden, habe ich eine hohe Gewissheit, dass es sich um den unveränderten Output der betreffenden Person handelt. Sie sind das authentische Produkt ihres Erzeugers...»

Mit diesen Worten glaubte Ronnie Grob Kurt Imhof widerlegen zu können, der monierte: «Den Informationen eines Blogs oder einer Facebook-Meldung können wir nicht vertrauen.» Klar, dass das einem Digital-Religiösen sauer aufstösst.

Dennoch hat Kurt Imhof recht. Wie recht er hat, zeigt Strappato in seinem sehr lesenswerten Medizin-Blog Stationäre Aufnahme:

«Sara Baker gibt vor, ein Patient wie du und ich zu sein, aber dennoch ist es nur ein Fakeprofil bei Facebook. Erschaffen von dem Unternehmen Medseek, das eHealth-Lösungen verkauft. Bis auf die Enthüllung in den persönlichen Angaben deutet in ihrem Stream nichts darauf hin, dass es sich um ein Marketing-Geschöpf handelt. Sie kommuniziert mit den Facebook-Usern, wenn gleich ihre Status-Updates ein wenig automatisiert und hölzern wirken. Es wird eine catchy emotionale, sehr persönliche Story erzählt: Sara Baker ist schwanger und erwartet Zwillinge. Dank Medseek kann sie sich mehr um die Geburtsvorbereitungen kümmern...»

Strappato's Fazit:

«Mittlerweile twittern Pharmaunternehmen, haben YouTube-Kanäle oder scharen "Fans" bei Facebook um sich. Der Traum ist aus. Die "Healthcare Social Media" Welt verwandelt sich zum Marktplatz der Industrieinteressen.»

Genau davon sprach Kurt Imhof.

Montag, 19. April 2010

Ronnie Grob macht Kasse

In seiner gewohnt penetrant-quengeligen Art fragte Ronnie Grob unlängst den Publizistischen Direktor der Südostschweiz Medien im Medienspiegel:

«Haben Sie denn schon selbst nach Bezahllösungen gesucht? Haben Sie welche gefunden? Wenn ja: werden diese nun umgesetzt, übergreifend oder individuell? Wenn ja: wo sind diese Lösungen zu sehen?»

Eine Antwort erhielt Ronnie bis heute nicht, und er hat auch keine Antwort verdient. In Ronnie Grob's Blog ist jetzt aber eine neue, so übergreifend wie individuell umgesetzte Bezahllösung für Blogs zu sehen. Das Ding heisst Kachingle. Das sei «ein Versuch, Websites, die man mag, mit Mikrozahlungen zu unterstützen», teilt uns Ronnie in seinem gewohnt holprigen Stil mit. Das Schöne daran ist, dass man mit einem Mausklick sehen kann, wer Ronnie Grob mit welchen Beiträgen finanziell unterstützt (Stand 19. April, 19:00):

Frau Zappadong: $0.76
Robin Meyer-Lucht: $0.96
100 Watt Walrus: $0.09
Thinkabout:$1.25
Andreas Thut: $1.76
YPH: $0.13
Cynthia: $0.08
Polkarobot: $0.72
Bill: $0.05
Wolfgang Blau: $1.00

Grand Total seit 18. Dezember 2009: $6.80. Nicht schlecht. Die Summe reicht ungefähr für zwei Currywürste und ist keineswegs zu verachten. Mit zwei Currywürsten kann man unter Umständen das Leben eines unterernährten Bloggers retten.

Recherchen von Bobby California zeigen jedoch, dass fast alle Ronnie-Grob-Supporter dem Blogger-Sumpf entstammen (Frau Zappadong, Thinkabout, Polkarobot, Bill) oder im professionellen Online-Milieu tätig sind (Cynthia, Robin Meyer-Lucht, Andreas Thut, Wolfgang Blau). Mit anderen Worten: Kachingle ist ein selbstreferentielles Nullsummen-Spiel. Denn die meisten Leute, die Blogger via Kachingle finanziell unterstützen, sind, naja, eben: Blogger.

Der grosszügigste Ronnie-Grob-Unterstützer ist übrigens Ronnie Grob himself: Er besuchte sein eigenes Blog 117 mal und überwies sich gleichzeitig via Kachingle $9.05.

Sonntag, 11. April 2010

Alain Chamfort: Une vie Saint Laurent

Wenige CDs in meiner Sammlung haben den Jahrgang 2010 aufgedruckt. Diese ist bisher die einzige. Vielleicht bin ich nicht der erste Blogger, der darüber schreibt, aber sicher bin ich der erste Deutschschweizer Blogger, und wahrscheinlich bin ich der einzige Deutschschweizer Blogger, der Alain Chamfort kennt und schätzt. Bref, Alain Chamfort hat das Leben des Modeschöpfers Yves Saint Laurent in Töne umgesetzt. «Une vie Saint Laurent» nennt sich das Ding, eine Kombination aus Buch und CD.

Es ist nicht einfach, die Qualitäten des Songschreibers Alain Chamfort in Worte zu fassen. Klar ist: Alain Chamfort ist einer der wenigen Musiker, die nie eine schlechte Platte gemacht haben. Und das seit bald 40 Jahren. Kommt dazu, dass jede seiner Platten durchgängig hörbar ist, keine enthält einen schlechten Song. Mir fällt eigentlich kein anderer Musiker ein, von dem ich das Gleiche sagen kann.

EIn Konzeptalbum wie «Une vie Saint Laurent» hat Alain Chamfort noch nie gemacht. Eine Herausforderung für jeden Songschreiber. Der erste Song lässt Schlimmes befürchten: Piano-Arpeggien perlen sanft, «ce petit garçon dans les rues d'Oran...» hebt der Sänger an und beschreibt Yves' Kindheit. Einen Moment lang kommt Kitschverdacht auf. Doch schon das zweite Lied zerstreut die Befürchtungen, denn es kommt schon fast garagen-rockig daher: «Tout est allé si vite grâce à Dior... où dois-je dire grâce à Dieu...»

Yves Saint Laurent's Leben enthält genug interessanten Stoff für ein Konzeptalbum mit 16 Songs. Mit 22 trat Saint Laurent die Nachfolge von Christian Dior an, wenig später hatte er ein «burn-out». Sein Lebens- und Businesspartner Pierre Bergé ermutigte ihn dann, sein eigenes Modehaus zu eröffnen, mit den bekannten Folgen. Alain Chamfort hat den Job nicht schlecht erledigt. Vielleicht ist es nicht sein bestes Album, vielleicht ist es eine Spur zu routiniert gemacht. Hörenswert ist es auf jeden Fall. Man kriegt ja nicht jeden Tag das Leben von Yves Saint Laurent von einem Musiker wie Alain Chamfort erzählt.

«Une vie Saint Laurent», Verlag Albin Michel, 25 € (Buch+CD)