Dienstag, 7. September 2010

Platten mit Randy-Newman-Coverversionen sind gute Platten

Das Vorgehen ist ganz einfach: Man sucht Platten (wenns sein muss, CD's), die Coverversionen von Randy Newman-Songs enthalten. Der Clou dabei ist, dass nur Musikerinnen und Musiker, die sehr geschmackssicher waren – oder wenigstens gut beraten – Newman-Coverversionen aufnahmen. Hier sind einige davon:

Alan Price: «A Price on His Head» (1967)
Das zweite Solowerk des früheren Animals-Organisten enthält nicht weniger als sieben Newman-Kompositionen: das zauberhaft melancholische und selten gecoverte «Come and Dance With Me», die flott arrangierte Abnabelungs-Hymne «So Long Dad», das relativ bekannte «No One Ever Hurt So Bad» mit extrem flottem Bläser-Arrangement, das lustige «Tickle Me», das zauberhaft melancholische «Living Without You», das herrlich dekadente «Happy Land» und das ebenso grossartige «Biggest Night Of Her Life». Dazwischen streute Alan Price Selbstkomponiertes und andere fantastische, geschmackvoll ausgewählte und perfekt eingespielte Coverversionen wie «On This Side Of Goodbye» von Goffin/King. Die Wahrheit ist: Alan Price war ein Singles-Mensch, kein LP-Künstler. Seine LPs wirken wie Zusammenschnitte von Singles. Dennoch lohnt sich der Erwerb dieses Teils sehr. Ich habe dafür an einer Plattenbörse 60 Kröten bezahlt und die Platte ist jeden Rappen wert.

Dusty Springfield: Dusty in Memphis (1969)
Ein Meisterwerk, if there ever was one. Eine LP aus einem Guss. Die Songs bauen einen Spannungsbogen auf, der mich bei jedem Hören wieder erstaunt und Gänsehaut verursacht. Darin enthalten sind zwei Randy-Newman-Songs: das erheiternde «I Don't Want To Hear It Anymore» (über zu laute Nachbarn und «viel zu dünne Mauern»). Begleitet wurde die geniale Sängerin von der Crème de la Crème der Sessionmusiker aus Memphis. Höhepunkte sind nicht die Newman-Nummern, sondern das wohlbekannte und dennoch immer wieder gern gehörte «Son Of A Preacher Man» und das explosive «Don't Forget About Me» (von Goffin/King), wo die Memphis-Musiker richtig loslegen. Seite 2 beginnt mit einer fantastischen Interpretation von Randy Newman's «Just One Smile». Dann ist das Pulver verschossen. Aber was für ein Pulver. Das ist eine der Platten, die in jeden Haushalt gehören.

Everly Brothers: «Roots» (1968)
Als die Everly Brothers «Roots» für die Plattenfirma der Warner Brothers aufnahmen, war ihre beste Zeit schon lange vorbei. Niemand wollte eine solche Platte kaufen. Das Publikum wusste einfach nicht, was es davon halten sollte: Zwei alternde, immer noch buspere Teeniesänger wurden vom genialen Warners-Produzenten (und Newman-Freund) Lenny Waronker auf eine Reise zu ihren «Roots» geschickt. Don und Phil Everly sangen also eine Handvoll geschmackvoll ausgelesener Country-Songs aus der Feder von Merle Haggard, Glen Campbell oder Jimmie Rodgers. Darunter mischte Waronker spacige Steel Guitars, Wah-Wah-Gitarren... und Randy Newmans Song «Illinois». Newman begleitete die Everlys persönlich am Piano. Perlende Arpeggien und trockene Drums unterlegen den Unisono-Gesang. Der Song wirkt inmitten der Country-Songs denkbar fremdartig. Dass die Platte in den Gestellen liegen blieb, ist verständlich. Aber es ist trotzdem ungerecht.

Ella Fitzgerald: «Ella» (1969)
Die legendäre Jazzsängerin war 53, als sie diese Platte aufnahm. Die Auswahl der Stücke zeigt das Bestreben, das Repertoire zu modernisieren. Neben Soul-Songs wie Eddie Floyd's «Knock On Wood» und zwei Beatles-Songs hat Ella Fitzgerald auch zwei Newman-Nummern aufgenommen: das sarkastische «Yellow Man», über den «gelben Mann», der mutmasslich den ganzen Tag lang Reis isst, und das soulige «I Wonder Why». Ellas Stimme wirkt stellenweise ein bisschen corny, sie ist eine grossartige Sängerin, aber keine Soulröhre. Deshalb ist «Ella» keine ganz grosse, aber dennoch eine gute Platte.

Claudine Longet: «Love is Blue» (1968)
Diese Sängerin aus dem Stall des Easy-Listening-Moguls Herb Alpert hat heute nur noch Geheimtipp-Status. Doch diese Platte glänzt (abgesehen vom Gesang) mit solider Qualität. Der Spannungsbogen reicht vom Marlene-Dietrich-Cover «Falling In Love Again» über die Bee-Gees-Schmonzette «Holiday» und Bossa Novas bis zu Randy Newman's «Snow». Es gibt wenige Songs, die den Schnee so treffend beschreiben. Auch Claudine Longets ausdruckslose Stimme und ihr starker französischer Akzent können «Snow» nicht zerstören.

Beau Brummels: «Bradleys Barn» (1968)
Wie viele andere kalifornische Musiker fuhren die Beau Brummels (oder was von der Gruppe übrig geblieben war: Sänger Sal Valentino und Gitarrist Ron Elliott) 1968 nach Nashville. Country-Musik versprach Läuterung nach den psychedelischen Exzessen. Doch Sal und Ron entwarfen eine höchst eigenwillige Variante der Country-Musik. Puristen würden den Kopf schütteln. Das ändert nichts daran, dass diese Platte ganz grossartig gelungen ist. Sie besteht ausschliesslich aus Selbstkomponiertem, mit Ausnahme des letzten Songs auf Seite 2: Randy Newmans «Bless You California», ein furioser, verstörender Schlusspunkt eines ansonsten sehr stimmungsvollen, mal verträumten, mal aufgeräumten Song-Bouquets. Wie im Fall der Everly-Brothers-Platte wirkt Randy's Song hier wie ein faszinierender Fremdkörper. «Bless you California, you're the only state for me... So if I try to leave, please don't follow, cause I ain't really going anywhere.»

Van Dyke Parks: «Song Cycle» (1968)
Die Platte beginnt mit der besten aller Newman-Coverversionen: «Vine Street» in einer abgefahrenen Version mit wunderschönem Orchester und Schifferklavier. Eine genialisch arrangierte Westentaschen-Symphonie. Der Rest von Van Dyke Parks' erstem Opus kommt ähnlich faszinierend schräg rüber. «Song Cycle» ist die angenehmste aller unhörbaren Platten. Die Warner Brothers hatten bemerkenswerten Mut, dass sie sowas veröffentlichten. «Widows face the future, the factories face the poor»: Solche unverständlichen Texte, die Van ersann, brachten sogar Randy Newman zur Verzweiflung. Ich glaube nicht, dass ich diese Platte jemals ganz durchgehört habe. Das würde mich konfus machen. Dennoch möchte ich sie nicht missen.

Eric Burdon & The Animals: «Eric Is Here» (1967)
Eric Burdon liess sich von der Newman-Begeisterung seines Ex-Organisten anstecken: Auf seiner ersten Soloplatte nahm auch er einige Newman-Nummern auf, sie sind die Höhepunkte dieser Platte: Das oft gecoverte «Mama Told Me Not To Come» in einer schön verhallten, ausdrucksstark gesungenen Version. Darauf folgt «I Think It's Gonna Rain Today», auch verhallt, auch ausdrucksstark gesungen. «Human kindness is overflowing, and I think it's gonna rain today.» Einfach schön! Der Regen strömt auf jeden Fall, bei der «human kindness» wäre ich da weniger sicher. Auf Seite zwei findet sich der satirische Newman-Song «Wait Till Next Year». Der Rest fällt ab.

Scott Walker: «Sunshine» (1973)
Dem für düstere Stimmungen bekannten Scott Walker gings gut, als er diese Platte aufnahm. Er lächelt sogar auf dem Umschlag und besingt den «Sunshine». Natürlich nur, um dem Sonnenschein zu sagen, er solle gefälligst verschwinden. Der zweite Song auf Seite 1 ist «Just One Smile», das Scott nicht weniger ergreifend rüberbringt als Dusty. Die Songauswahl ist brillant und umfasst auch «A Woman Left Lonely» der Memphis-Urgesteine Oldham/Penn und Bill Withers' moderat funkiges «Use Me». Eine Platte wie ein goldener Septembertag: Bald wird es düster und kalt, Scott hat das schon immer gewusst, aber noch einmal gilt es, dem Leben ein paar letzte sonnige Momente abzugewinnen. Mit Randy Newman's «I'll be Home» klingt Seite 2 aus.