Sonntag, 24. Oktober 2010

Ich will mein Eau Sauvage Extrême zurück!

Eau Sauvage Extrême von Christian Dior war mein Lieblings-Parfüm. Und das seit Jahrzehnten. Doch irgendwann im Sommer haben Christian Diors Nachfolger die Rezeptur verschlimmbessert. Zuerst dachte ich, der Parfumladen habe mir eine gepanschte Fälschung untergejubelt. Doch es ist zweifellos so: Eau Sauvage Extrême gibt es nicht mehr. Die fade Brühe, die weiterhin unter diesem Namen verkauft wird, hat nichts mehr gemeinsam mit dem genialen Parfum von einst.

Das Tolle am Eau Sauvage Extême war, dass es gleichzeitig fruchtig-frisch und tiefgründig-mystisch roch. Mit keinem anderen Parfum ist es mir passiert, dass mir auf dem Velo eine andere Velofahrerin in voller Fahrt zurief: «Tolles Parfum!» Doch das ist jetzt unwiderruflich vorbei. Das neue Eau Sauvage Extrême riecht wie irgendein billiges, fades, italienisches Wässerchen. Wie Pitralon mit einem Schuss Kölnisch Wasser versetzt. Einfach grauenhaft. Eau Sauvage Extrème kaufe ich nicht mehr.

Falls noch jemand eine Flasche mit der alten Mixtur rumstehen hat und sie nicht braucht, kaufe ich sie für fast jeden beliebigen Preis.

Montag, 18. Oktober 2010

Zwei Gesichter der Suonen

Suonen, die Walliser Wasserleitungen, sind immer gut für eine spannende Wanderung. Was mich dabei besonders fasziniert, ist der jähe landschaftliche Gegensatz, den man beim Abschreiten erlebt. Zuerst der sanfte Weg am sonnigen Hang entlang, mit Schafherden, Weinbergen, saftigem Gras, alten Walliserhäusern undsoweiter:

Tant de balades époustouflantes peuvent se faire le long des bisses, de ces canaux d'irrigation qu'on trouve partout en Valais. Bien souvent, en marchant au bord des bisses, le randonneur est témoin d'un contraire étonnant: D'abord le bisse traverse des prés ensoleillés avec des troupes de moutons aux nez noirs, et parfois des vignes:

Visperi (Nanztal)
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Rohrbergeri (Nanztal)
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Bisse de Sillonin (Vallée de la Liène) 
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Bitscheri (Massaschlucht) 
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Bitscheri (Massaschlucht) 
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Dann macht die Suone einen 90-Grad-Knick und man steht mitten in einer senkrecht abfallenden Felswand. Nur Schwindelfreie gehen weiter. Gefährlich ist es nicht wirklich, aber man sollte schon aufpassen, wohin man seinen Fuss setzt, denn unmittelbar neben der Suone geht es oft 200 Meter hinab, ohne Chance, sich irgendwo festzuhalten:

Ensuite le bisse se tourne brusquement et décrit un angle de 90 degrés. Et tout de suite, le randonneur se retrouve au milieu d'une paroi rocheuse aux pentes vertigineuses. Là il faut être prudent, car immédiatement près du chemin la paroi tombe souvent 200 mêtres vers le fond de la gorge de laquelle la bisse va transporter l'eau vers les prés ensoleillés. Si on tomberait ici, ce serait fini:

Wyssa (Gredetschtal)

Wyssa (Gredetschtal)

Riederi (Massaschlucht) 
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Ladu-Süe (Jolital)

Grand Bisse de Lens (Vallée de la Liène) 
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Fotos: Andreas Gossweiler

Samstag, 9. Oktober 2010

Beissen Blogger die Hand, die sie füttert?

Blogger sind Wiederkäuer: Mein Befund fand ein grosses Echo. Mit vielen Beispielen konnte ich empirisch belegen, dass sich Blogger gern bei den professionellen Medien bedienen, die sie so gern schmähen. Amerikanische Wissenschaftler haben sich mit dem gleichen Thema befasst. Und sie sind zum gleichen Resultat gekommen.

Bryan Murley, Spezialist für Neue Medien an der Eastern Illinois University und Chris Roberts, Medienwissenschaftler an der University of Alabama veröffentlichten die Studie «Biting The Hand That Feeds: Blogs and Second-Level Agenda Setting». Murleys und Roberts' Befunde wurden in Schweizer Blogs unterschlagen, weil sie nicht zum Selbstbild der Blogger passen. Die Arbeit erschien vor fünf Jahren, ist aber immer noch aktuell. Denn was heute in der Schweizer Blogsosphäre abläuft, ist ein Echo dessen, was vor fünf oder zehn Jahren in den USA lief. Murley und Roberts schreiben:

«Blogger sehen sich als fünfte Macht und als Ausgleich zu den sogenannten Mainstream-Medien. Blogger prahlen gerne, sie könnten die politische Agenda beeinflussen, so wie das früher nur die Mainstream-Medien konnten.»

Die Forscher wollten herausfinden, ob dieses Selbstbild den Tatsachen entspricht. Sie untersuchten die 20 beliebtesten US-Blogs – Gawker, Gizmodo, Michelle Malkin und andere – während drei Tagen:

«Die Analyse der Blogs zeigt, dass Blogger oft Inhalte der Mainstream-Medien wiedergeben und Agenda-Setting auf einer zweiten Ebene betreiben. Fast die Hälfte (49 Prozent) der untersuchten Posts haben mindestens einen Link zu einem Mainstream-Medium. Bei politischen Blogs sind es sogar 56 Prozent. Das beweist, dass Blogger stark abhängig sind von den Mainstream-Medien für einen grossen Teil des Lesefutters, aus dem ihre Webseiten bestehen.

Ausserdem entsprechen viele der Themen in den Blogs denjenigen Themen, die vorher oder gleichzeitig in den Mainstream-Medien diskutiert wurden – ob John Bolton als US-Botschafter bei der UNO nomininert werden soll, oder ob der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus Tom DeLay sich unethisch verhalten habe. Eine Geschichte der Mainstream-Medien über die Musik in Präsident Bush's iPod wurde gleichzeitig in acht Blogs kommentiert.»

Für die Forscher ist klar:

«Die meisten Blogs hätten wenig zu sagen, wenn sie nicht Themen aus den Mainstream-Medien beziehen könnten.»

Murley und Roberts gingen auch der Frage nach, warum die Blogs so stark abhängig sind von den professionellen Medien. Ihre Antwort lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig:

«Die meisten Blogs stellen sehr wenig eigene Recherchen an. Nur sechs Prozent aller Blogeinträge enthalten selbst recherchiertes Material. Bei Politik-Blogs sind es sogar nur fünf Prozent.»

Das Fazit der beiden Medienwissenschaftler:

«Blogger sehen sich gerne als Instanz, die unabhängig ist vom Agenda-Setting der Mainstream-Medien. Doch in Tat und Wahrheit folgen sie oft Geschichten, die Reporter der Mainstream-Medien ausgegraben haben. Wenn Blogs eine Rolle haben im Agenda-Setting, ist es eine auf der zweiten Ebene – indem sie Geschichten weiter verbreiten, die die traditionellen Medien lanciert haben. Blogger sind stark abhängig von den Mainstream-Medien für einen grossen Teil ihrer Blog-Einträge. Blogger sagen uns, was wir über Themen denken sollen, von denen andere gesagt haben, dass wir darüber nachdenken sollen.»

Weil das so ist, wird auch klar, warum viele Blogger so nervös werden, wenn jetzt professionelle Medien wie das Magazin Paywalls hochziehen: Ihnen droht schlicht und einfach der Stoff auszugehen.

Freitag, 1. Oktober 2010

Die tätowierte Langspielplatte

Tattoo in der Auslaufrille: Die LP «Emitt Rhodes» von – richtig geraten – Emitt Rhodes. (Foto: Bobby California. Click to Enlarge)

Vinylplatten haben viele Vorteile gegenüber CDs und MP3s: Sie sind ein viel sinnlicheres Medium, gehen weniger schnell kaputt, klingen besser und sind schöner verpackt. Und man kann sie tätowieren.

Mir wurde erst heute bewusst, dass ich eine tätowierte Platte besitze. Es ist die erste Soloplatte des amerikanischen Pop-Genies Emitt Rhodes. Nie hat jemand so breitenwirksame Musik gemacht, die so wenig Breitenwirkung hatte. Und deshalb kennt heute kaum jemand noch Emitt Rhodes. Obwohl seine melodiöse, leicht monomanische Musik sicher vielen Menschen gefallen würde.

Hinter dem Tattoo auf Emitt Rhodes' erster Soloplatte verbirgt sich eine menschliche Tragödie. Rhodes war ein Allround-Künstler: Er schrieb nicht nur alle seine Songs selber. Er nahm auch alle Instrumente bei sich zuhause selber auf und sang dazu. Rhodes war kein Virtuose, aber er spielte gut Piano, Gitarre, Bass und auch Schlagzeug. Er amtierte auch als Produzent und Toningenieur. Er ging also ähnlich vor wie Paul McCartney bei seinen ersten Soloalben. Die Musik klingt auch (gelinde gesagt) nicht unähnlich. Doch Emitt Rhodes ist kein Epigone: Er hat seine Soloplatten aufgenommen, bevor Paul McCartney dasselbe tat.

Die Plattenfirma Dunhill nahm Emitt Rhodes 1968 unter Vertrag. Sie zwang dem Multitalent einen absolut katastrophalen Vertrag auf: Dunhill verlangte nämlich von Rhodes, dass er sechs Alben ablieferte – verteilt auf drei Jahre! Emitt Rhodes musste also jedes Jahr zwei LPs aufnehmen, um den Vertrag zu erfüllen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man alles selber macht. Rhodes schaffte nur ein Album pro Jahr. Er nahm für Dunhill drei fantastische LPs auf. Dann war er ausgebrannt. Die Plattenfirma hatte ihr Wunderkind ausgepresst wie eine Zitrone – und sie verklagte es zum Dank noch wegen Vertragsbruchs. Nach drei Jahren Arbeit für Dunhill war Emitt Rhodes ein psychisches Wrack, und er ist es heute noch.

Und so kam das dekorative Tattoo auf die Platte: Die Musikergewerkschaft verlangte, dass alle Platten in professionellen Studios aufgenommen werden. Emitt Rhodes lag quer mit seinem Heimstudio. Deshalb durfte auf der Plattenhülle kein Hinweis erscheinen, dass Rhodes die Musik zuhause aufgenommen hatte. Dafür konnte er den Cutting Engineer überreden, ein Tattoo in die Auslaufrille zu ritzen mit dem Text: RECORDED AT HOME.

Mixdown-Engineer der LP war übrigens Curt Boettcher, der ebenso geniale kalifornische Musiker, der diesem Blog den Namen gegeben hat.


Balade dans l'Hérault







Nirgendwo gleicht Frankreich mehr dem Wilden Westen als im Hérault. Die Landschaft ist weit, schroffe Berge am Horizont, alles sieht ein bisschen schäbig und verschlafen aus. Endlose Schlangen von leeren Tankwagen stehen in der Prärie. Die Bahnhofuhr von Paul Garnier Paris zeigt die stehen gebliebene Zeit an. Das Essen in der einzigen Beiz, die offen hat, ist soso-lala, die Bedienung ist freundlich. Der Hérault ist nicht meine Lieblingsregion, hat aber seinen eigenen Reiz.

Fotos: Bobby California