Samstag, 30. April 2011

Warum Papier praktischer ist

Ich kann sie nicht mehr hören – die gebetsmühlenartig wiederholte Behauptung der Online-Apostel, dass Papier weniger praktisch sei als der Bildschirm, den sie gedankenlos vergöttern. Obwohl er bei einer Zeitung angeheuert hat, sucht Peter Hogenkamp, Leiter Digitale Medien bei der NZZ, jetzt gerade via Twitter zehn Argumente, «warum Print unpraktisch ist». Die will er bei einem Vortrag unters Volk bringen. Auch viele andere digital-religiöse Menschen glauben, nur wenn ein Bildschirm involviert sei, könne man Medien auf zeitgemässe Art konsumieren. Peter Hogenkamps Tweet hat mich zu einem Gegenvorschlag animiert. Nicht, dass ich etwas gegen Bildschirme hätte. Mich stört nur die unkritische Vergötterung dieser an sich äusserst nützlichen Objekte. Sie haben ihre Vorteile und auch bestimmte Nachteile. Hier sind 50 Gründe, warum Papiermedien (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, das Kursbuch usw...) praktischer sind als Online-Medien:

1. Papiermedien funktionieren immer.
2. Papiermedien gehen auch dann nicht kaputt, wenn sie nass werden.
3. Papiermedien kann ich im Bett lesen.
4. Papiermedien kann ich in die Badi mitnehmen, ohne Angst, dass sie geklaut werden.
5. Papiermedien kann ich in den Rucksack packen, wenn ich in wandern gehe.
6. Papiermedien brauchen keine Batterien und keinen Netzanschluss.
7. Papier kann man problemlos recyclen.
8. Was auf Papier gedruckt ist, ist relevanter und entspricht der Wahrheit eher als Online-Medien, weil eine Organisation (Redaktion, Verlag usw) die Qualität des Inhalts überprüft hat.
9. Was auf Papier gedruckt ist, ist sorgfältiger geschrieben. Denn was gedruckt ist, kann man nicht mehr mit Knopfdruck löschen. Das erhöht die Sorgfalt der Autoren massiv.
10. Papiermedien sind dauerhafter als elektronische Medien.
11. Wenn ich einen Text behalten will, muss ich ihn nicht erst ausdrucken.
12. Papier ist besser für meine Augen als der Bildschirm.
13. Papier ist besser für meinen Rücken, weil ich in jeder Position lesen kann.
14. Papier ist hygienischer, da die Computertasten bekanntlich schmutziger sind als Klobrillen.
15. Papiermedien sind schöner, weil der Druck scharf ist und selbst kleinste Buchstaben problemlos lesbar sind (vorausgesetzt, dass man scharf genug sieht).
16. Papier hält fit, weil ich in die Bibliothek oder zum Kiosk gehen muss, um bestimmte Bücher und Zeitungen zu besorgen.
17. Papier ist für die Konsumenten viel billiger, da sie für die Lektüre nicht immer wieder neue, teure elektronische Geräte kaufen müssen.
18. Papiermedien sind umweltfreundlich, weil für die Produktion viel weniger Energie benötigt wird als für die Produktion von Computern.
19. Papier sichert das Überleben der Menschheit, weil für die Produktion und für den Konsum der Papiermedien weniger (Atom-) Strom verbraucht wird.
20. Papier erzeugt keinen Elektronikschrott, der die Bewohner der Dritten Welt vergiftet.
21. Der Kauf von Papiermedien sichert spannende Arbeitsplätze in Verlagen, Redaktionen und Buchhandlungen. Die Arbeitsbedingungen der Online-Medien sind bekanntlich erniedrigend für die Angestellten.
22. Das Blättern in Papiermedien ist viel angenehmer als das Browsen in Online-Dokumenten.
23. Wer eine gute Zeitung oder Zeitschrift liest, ist besser informiert. Denn Online-Medien sind viel weniger zuverlässig.
24. Der Inhalt von Zeitungen und Zeitschriften ist aktuell – Onlinequellen verbreiten hingegen oft veraltete Informationen.
25. Papiermedien sparen Zeit und Energie, die ich verbrauche, wenn mein Computer nicht funktioniert, was bekanntlich oft vorkommt.
26. Papiermedien sind nicht abhängig vom Funktionieren des Internetanschlusses, der bekanntlich nicht immer funktioniert.
27. Papiermedien können nicht mit Knopfdruck zensuriert werden, so wie das mit Onlinemedien in China und anderswo geschieht.
28. Papiermedien enthalten interessantere Informationen, weil sie in einer Organisation erarbeitet werden, in der Leute sitzen, die anständig bezahlt werden und die (auch deshalb) motiviert sind, gute Arbeit abzuliefern.
29. Papiermedien enthalten relevantere Informationen, weil der Benutzer nicht besondere Fähigkeiten besitzen muss, um Internet-Suchmaschinen zu bedienen.
30. Papiermedien sind besser für die seelische Gesundheit, weil sie nicht süchtig machen.
31. Papiermedien sind vorteilhaft für das soziale Ansehen, weil ein gut gefülltes Büchergestell das Prestige erhöht.
32. Papiermedien intensivieren die geistige Auseinandersetzung mit der Welt, weil das Lesen von Papiermedien konzentrierter abläuft als das Lesen von Texten auf einem Bildschirm.
33. Die Aufmerksamkeitsspanne ist beim Lesen von Papiermedien wesentlich länger.
34. Papiermedien enthalten keine nervig flackernden Inserate.
35. Aus Papier kann man Papier maché herstellen.
36. Papier kann man nach dem Lesen auch für viele andere Sachen verwenden: Papierhüte, Ausstopfen von nassen Schuhen usw.
37. Papier ist ein einheimischer Rohstoff, der immer wieder nachwächst.
38. Papier ist natürlich und deshalb ein sehr angenehmes Material.
39. Es gibt viele verschiedene Papiersorten, das erhöht den haptischen und visuellen Genuss.
40. Fotos kann man auf Papier in viel besserer Qualität reproduzieren als auf einem Bildschirm.
41. Papier gibt es in ganz verschiedenen Formaten.
42. Eine grossformatige Zeitung wie die «Zeit» kann man unmöglich auf einem Bildschirm wiedergeben. Auch die grössten Bildschirme sind zu klein dafür.
43. Papiermedien kann man vollkritzeln, und man kann den Text unterstreichen. Nur so kann man längere Texte wirklich konzentriert lesen und verstehen.
44. Papier stürzt nie ab.
45. Papier hat nie einen leeren Akku.
46. Wer Papiermedien aufbewahren will, benötigt keine teuren Druckerpatronen fürs Ausdrucken.
47. Papiermedien respektieren das Urheberrecht.
48. Papiermedien erschweren die Piraterie.
49. Die Lesbarkeit von Texten ist viel besser auf Papier als auf einem Bildschirm.
50. Das Kursbuch zeigt alle Verbindungen, nicht nur die, die im elektronischen Fahrplan programmiert sind.

Undsoweiter...

Donnerstag, 28. April 2011

ElitePartner – die Elite-Abzocker

Im letzten Herbst dachte ich, es sei an der Zeit, auf Brautschau zu gehen. Als elitärer Mensch stellte ich mir vor, dass eine passende Frau am ehesten bei ElitePartner zu finden wäre. Also bestellte ich eine «Premium-Mitgliedschaft» zum Preis von 269.70 Franken («nur» 89.90 Franken pro Monat).

In den drei folgenden Monaten passierte wenig. Na gut, ich hatte zwei Dates mit einer Stadträtin. So gesehen, trifft der Name «ElitePartner» zu. Doch leider konnte sich die schöne und kluge Stadträtin nicht vorstellen, sich in mich zu verlieben. Und soooo viele andere elitäre Frauen waren nicht in der Datenbank: Eine Zählung von mir ergab, dass der Akademikerinnen-Anteil nur etwa ein Drittel beträgt und nicht 70 Prozent, wie ElitePartner versprochen hat. Zudem füllten zwei Drittel der Frauen, ob Akademikerinnen oder nicht, das Profil nicht vollständig aus, so dass es nicht möglich ist, herauszufinden, ob diese Frauen zu mir passen.

Etwa in der Halbzeit meiner Premium-Mitgliedschaft wurde mir klar, dass ich bei ElitePartner keine passende Frau finden würde. Also schickte ich mich an, die Mitgliedschaft zu kündigen. In diesem Moment wurde mir schmerzlich bewusst, dass die Kündigungsfrist vier Wochen beträgt. Ich hatte die Frist um wenige Tage verpasst. Dennoch schickte ich die Kündigung sofort ab und teilte ElitePartner mit, dass ich die lange Kündigungsfrist als Schikane betrachte und nicht gewillt sei, den Preis für die automatische Verlängerung um sechs Monate zu bezahlen. Zu diesem Zeitpunkt (Ende Januar 2011) betrug der Preis für das Sechs-Monats-Paket 359.40 Franken (59.90 Franken pro Monat).

ElitePartner reagierte nicht. Als ich ElitePartner nochmals aufforderte, die Kündigung zu bestätigen, erhielt ich ein widersprüchliches Mail, das ich nicht ernst nahm und bald löschte. ElitePartner teilte mir mit, die Firma verzichte darauf, weitere Beiträge von meiner Kreditkarte abzubuchen, wolle aber nicht auf die ausstehenden Beiträge verzichten.

Zwei Wochen später erhielt ich die erste Mahnung. ElitePartner forderte mich auf, 241 Franken auf ein Postkonto zu bezahlen. Auch dieses Mail ignorierte ich.

Am 8. März kam die zweite Mahnung. ElitePartner forderte «den noch ausstehenden Gesamtbetrag in der Höhe von 482 Franken zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von 20 Franken». Jetzt geriet ich erstmals ins Grübeln. Wieso zum Teufel 482 Franken? Auf der Seite «Preise und Leistungen», die ich einen Monat vorher ausgedruckt hatte, steht, dass das Sechs-Monats-Paket 359.40 Franken kostet, nicht 482 Franken.

Ich schickte dem ElitePartner-Kundendienst eine Mail und fragte, warum man mir einen Preis verrechnet, der massiv höher ist als die auf der Seite «Preise und Leistungen» angegebene Summe. Zurück kam die folgende Antwort:

«Die Premium-Mitgliedschaft verlängert sich automatisch um ein Sechs-Monatspaket zum Preis von 80 Franken pro Monat (insgesamt 482 Franken), wenn Sie nicht vier Wochen vor Ablauf des Drei-Monatspakets kündigen.»

Ich belehrte den Kundendienst, dass sechs mal 80 Franken die Summe von 480 Franken ergeben, nicht 482 Franken, und dass ich nicht bereit sei, einen überhöhten Fantasiepreis zu bezahlen. Darauf beschied mir der Kundendienst, im verrechneten Preis sei eine «Rundungsdifferenz» eingebaut. In den offiziellen Preislisten findet sich allerdings nirgends eine Rundungsdifferenz zuungunsten des Kunden. Nur meine Rechnung können die Elite-Halsabschneider nicht präzis addieren!

Um es kurz zu machen: Ich zahlte den Betrag, weil ich am nächsten Tag eine längere Ferienreise antrat. Ich wollte vermeiden, dass in meiner Abwesenheit weitere ärgerliche Depeschen von ElitePartner bei mir eintreffen, auf die ich nicht reagieren kann.

Nach meiner Rückkehr aus den Ferien schaute ich die Preisliste nochmals an. Und siehe da: Unterdessen wurde der Preis für das automatische Sechs-Monats-Paket auf 474 Franken erhöht (79 Franken pro Monat). Ich erkundigte mich nochmals beim Kundenservice, warum man mir einen Preis verrechnete, der weder mit der alten Preisliste übereinstimmt noch mit der neuen Preisliste. Der Kundenservice antwortete wie gehabt nur mit faulen Ausreden:

«Die Preisliste auf unserer Seite gilt lediglich für Neukäufe, nicht aber für Vertragsverlängerungen»

oder

«Im Zuge von Aktionspreisen ist es möglich, dass der Neupreis einer sechsmonatigen Premium-Mitgliedschaft günstiger ist»

Pfeifensack! Die Preise, die ich auf der Seite «Preise und Leistungen» gelesen habe, waren nicht als «Aktionspreise» gekennzeichnet. Ich habe auch nie den Preis für «Neukäufe» mit dem Preis für die Vertragsverlängerung verwechselt. Halten die mich denn für völlig bescheuert?

Fazit: Der Kundenservice von ElitePartner ist in Wirklichkeit ein Kundenverarschungs-Service. Nach diesen unangenehmen Erlebnissen ist für mich klar: Einmal ElitePartner – nie wieder ElitePartner!

Montag, 25. April 2011

Abt. Birnenweiche Coiffeursalon-Namen


Der Münchner Blogger Deef Pirmasens, Entdecker der Hegemann-Plagiate, sammelt Beispiele von misslungenen Coiffeursalon-Namen. Das hat mich auf die Idee gebracht, mich auch in der Schweiz nach entsprechenden Beispielen umzusehen. Und siehe da, man findet sie auch bei uns auf Schritt und Tritt: verkrampfte, pseudo-originelle Wortspiele, oft mit «Hair». Mein neuester Fund für die immer grösser werdende Sammlung: Ein Coiffeursalon in Stalden VS.

Foto: Bobby California, 24.4.2011

Montag, 18. April 2011

Erotische Kirche

Vor vielen Jahren unternahm ich in einem kalten Winter eine Reise nach La Charité-sur-Loire. Der kleine Flecken liegt wenige Kilometer nördlich von Nevers. Am Rand des Dorfes liegt der Grund meiner Reise: die überdimensionierte ehemalige Klosterkirche Notre-Dame. Eine der schönsten romanischen Kirchen, gebaut zwischen 1059 und 1107. Damals soll sie (nach der Superkirche von Cluny) die zweitgrösste und zweitschönste Klosterkirche Frankreichs gewesen sein, mit einem 122 Meter langen Kirchenschiff. Im Sommer 1559 zerstörte leider ein drei Tage lang dauernder Brand die Kirche von La Charité-sur-Loire. Sechs der zehn Joche des prächtigen Kirchenschiffes sind seither nur noch ansatzweise erkennbar, das nördliche Seitenschiff wurde zu Privathäusern umgebaut, und das Mittelschiff ist nicht mehr überwölbt. In einem Souvenirladen kaufte ich ein paar Postkarten. Und siehe da: eine Postkarte zeigte ein ungewöhnliches Kapitell. Ich habe schon viele romanische Kapitelle angeschaut, die meisten zeigen biblische Geschichten oder irgendwelche Fabeltiere. Doch ein Kapitell, das unverkennbar ein männliches Geschlechtsorgan zeigt, das gibts nur in La Charité-sur-Loire. Und wenn das Kapitell nicht auf der Postkarte abgebildet wäre, dann hätte ich es nie gesehen. Denn das Kapitell prangt nämlich in luftiger Höhe am achteckigen Vierungsturm. Unmöglich, es vom Boden her zu sehen.

Il y a beaucoup d'années j'ai fait un voyage hivernal à La Charité-sur-Loire. Le village est situé quelques kilomètres au nord de Nevers. Près de la Loire se situe le but de mon voyage: l'église surdimensionnée Notre-Dame. Edifiée entre 1059 et 1107, à l'époque on disait qu'elle était la deuxième église par ordre de grandeur et de beauté en France, après celle de Cluny, la nef étant longue de 122 mètres. Malheureusement en été de l'an 1559, une incendie a détruit la nef centrale de Notre-Dame de La Charité-sur-Loire. Dès lors, six des dix travées de la nef latérale septentrionnale furent transformées en maisons privées. Et la nef centrale n'est plus voutée. Dans un magasin de souvenirs j'ai acheté quelques cartes postales. Je n'étais pas mal étonné lorsque j'ai reconnu sur une carte un chapiteau insolite. J'ai vu beaucoup de chapiteaux romanes. La plupart d'eux montrent des histoires bibliques où des animaux fabuleux. Cependant, un chapiteau qui montre un sexe masculin, cela existe nulle part ailleurs qu'à La Charité-sur-Loire. Et si le chapiteau n'était pas visible sur la carte postale, je ne l'aurais jamais vu, puisque le chapiteau se trouve sur la tour octogonale de l'église. Impossible de le voir du pied de l'édifice.

Scan: Bobby California (Click to enlarge)

Mittwoch, 6. April 2011

Zehn Unterschiede zwischen Bloggern und Journalisten


Guardian-Chefredaktor Alan Rusbridger schrieb kürzlich einen Artikel mit dem Titel «Gutenberg für alle» in der Zeitschrift «Der Freitag». Sein Text wurde von einigen Bloggern mit warmem Applaus quittiert:

«Auf der einen Seite hat das Web 2.0 wenig Geheimnisvolles. Es geht um den Umstand, dass auch andere Leute gerne Dinge machen, die wir Journalisten machen. Wir erschaffen gerne Dinge – Worte, Bilder, Filme, Grafiken – und veröffentlichen sie. Das macht offensichtlich auch vielen anderen Menschen Spaß. Seit der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg hatten sie dazu 500 Jahre lang keine Möglichkeit. Aber jetzt können die Menschen sogar viel mehr und einfacher veröffentlichen als jemals zuvor. Und dieser revolutionäre Umbruch ereignete sich während eines Wimpernschlages.»

Diese Passage in Rusbridgers Text hat zu Missverständnissen Anlass gegeben. So schreibt der Mittelschullehrer und Blogger Philippe Wampfler in seinem Blog:

«Ich mache Dinge zum Spass, für die Journalisten bezahlt werden.»

Nichts ist falscher. Zwar gehört Philippes Blog zu den qualitativ besseren Schweizer Blogs. Doch was Philippe Wampfler in seiner Freizeit macht, also Bloggen, hat mit professionellem Journalismus nur ganz wenig zu tun. Da ich beide Seiten kenne, da ich Journalist und Blogger bin, ist es mir ein wichtiges Anliegen, die wesentlichen Unterschiede zwischen Blogs und professionellem Journalismus zu zeigen:

1. Journalisten wenden einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit für die Themenfindung auf. Um spannende Themen zu finden, sprechen Journalisten mit vielen Leuten, lesen so viele Zeitungen und Zeitschriften wie möglich, schauen TV-Sendungen an, durchkämmen Pressetexte von Behörden, Organisationen und Unternehmen, lesen Tweets und Blogs.
Blogger suchen hingegen nicht systematisch Themen. Sie greifen nur Themen auf, auf die sie zufälligerweise stossen, in der Regel, wenn sie ihre Lieblingszeitung lesen.

2. Journalisten haben einen brennenden Ehrgeiz: Sie wollen möglichst viele Primeurs landen, das heisst, sie wollen über Themen schreiben, die noch kein anderer Journalist behandelt hat.
Blogger begnügen sich damit, Artikel über Themen zu schreiben, die schon zahlreiche Journalisten vor ihnen aufgegriffen haben.

3. Journalisten besprechen die Themenwahl in langen Sitzungen mit Kollegen. Das fördert die Qualität, denn oft hat ein Kollege noch eine zusätzliche Idee – oder er findet ein Argument, das gegen einen Themenvorschlag spricht.
Blogger besprechen ihre Themenwahl mit niemandem. Sie schreiben, was sie wollen.

4. Bevor sie einen Artikel schreiben, recherchieren Journalisten sehr lange, oft mehrere Tage oder Wochen lang, bis sie so viel wie möglich über ihr Thema wissen. Sie suchen und lesen Fachliteratur, sprechen mit Betroffenen, mit Behörden, mit Unternehmen, mit Experten, mit Schurken usw.
Blogger recherchieren kaum. Es genügt ihnen meistens, wenn sie einen Zeitungsartikel abschreiben können und ihre persönliche Meinung dazu formulieren können. Fakten kümmern sie nicht gross.

5. Journalisten enthüllen Dinge, die die meisten Leser nicht wissen. Ein bekanntes Beispiel: Die Washington Post konnte beweisen, dass das Weisse Haus hinter dem Watergate-Einbruch stand.
Blogger enthüllen nichts ausser ihrer persönlichen Meinung zu Themen, die schon längst bekannt sind. Blogger sind nur extrem selten in der Lage, Skandale publik zu machen.

6. Journalisten kritisieren oft Firmen oder Behörden. Deshalb nennt man die Medien nicht umsonst die «Vierte Gewalt». Dabei müssen die Journalisten ihre Kritik immer mit Fakten unterfüttern, damit sie nicht angreifbar werden.
Blogger kümmern sich nicht um Fakten. Sie drücken nur ihre subjektive Meinung aus. Deshalb gehören Blogs nicht zur «Vierten Gewalt», sondern sind eher vergleichbar mit Leserbrief-Spalten.

7. Journalisten lassen ihre Texte von Kollegen in der Redaktion gegenlesen, oft zwei- oder dreimal. Das verbessert die Qualität der Texte enorm. Denn Kollegen machen auf sprachliche oder inhaltliche Fehler aufmerksam, die dem Journalisten sonst entgehen würden.
Blogger feuern ihre Texte ohne Gegenlesen raus.

8. Journalisten sind verantwortlich für ihre Arbeit. Sie müssen sich nach der Publikation mit Kritik an ihren Texten auseinander setzen. Manchmal müssen sie sich deshalb sogar vor Gericht verantworten.
Blogger müssen das nicht, denn ihre Texte tun niemandem weh.

9. Professionelle Medienarbeit ist Aufklärung im Dienst der Allgemeinheit. Es ist harte Knochenarbeit und verursacht bei den Journalisten viel Stress, schlaflose Nächte und erhöhten Alkoholkonsum. Deshalb gehören die Journalisten zu den ungesündesten Berufsleuten.
Blogger sind nie gestresst.

10. Die Pflichten und Rechte der Journalisten sind klar definiert.
Blogger nehmen sich viele Rechte heraus und haben keine Pflichten.

Ich hoffe, dass ich verständlich machen konnte, dass man Bloggen nicht mit professionellem Journalismus vergleichen kann. Blogs können den professionellen Journalismus niemals ersetzen.