Sonntag, 3. Juli 2011

Tücken des SBB-Tageskartenkaufs

Eine SBB-Tageskarte kaufen? Das klingt einfach. Doch die Automaten halten einen fiesen Fallstrick bereit, wie das folgende Beispiel zeigt.

Am Samstag wollte ich gemütlich durch das Land gondeln – mit einer SBB-Tageskarte zum Halbtax-Abonnement. Gut gelaunt begab ich mich zum nächstbesten Billettautomaten im Zürcher Hauptbahnhof. Dort bieten die SBB zwei Sorten Tageskarten an: die reguläre Tageskarte für 68 Franken und die 9-Uhr-Karte, die erst ab 9 Uhr gültig ist, für 58 Franken. Da es schon 11 Uhr war, entschied ich mich für die 9-Uhr-Karte. Als ich das Billett aus dem Automaten zog, traf mich fast der Schlag. Steht da doch mit fetten Lettern drauf gedruckt:

«SAMSTAG / SONNTAG NICHT GÜLTIG»

Heitere Fahne! Vor einem Jahr war das noch anders: Damals konnte man die 9-Uhr Tageskarte auch am Wochenende benützen – und dann sogar schon vor 9 Uhr... Schnell ging ich zum Billettschalter, um die nutzlose Karte, die jetzt am Wochenende nicht mehr gültig ist (was ich vor dem Kauf nicht wusste), gegen eine Tageskarte einzutauschen, die am Samstag auch wirklich gültig ist. Am Billettschalter erlebte ich den zweiten Schock: Die Schalterbeamtin erklärte mir in unfreundlichem Ton, es sei nicht möglich, die 9-Uhr-Tageskarte gegen eine reguläre Tageskarte einzutauschen. Sie zückte einen gelben Marker und markierte damit die folgende Zeile auf der Karte:

«KEINE ERSTATTUNG»

Klar doch, das hatte ich auch selber gelesen. Aber ich wollte ja gar keine «Erstattung» (also mein Geld zurück) – ich wollte nur die nutzlose Karte gegen ein gültiges Billett eintauschen und war auch bereit, zu diesem Zweck den Aufpreis zu zahlen. Aber das Theater am Schalter ging ungehemmt weiter. Die Schalterdame schimpfte mit mir und belehrte mich, ich hätte mich vor dem Kauf über das Nichtgültigsein der 9-Uhr-Tageskarte informieren müssen. Ich antwortete der Schalterbeamtin, dass das nicht möglich war, weil der Automat mir diese Information nicht vermittelte. Da meinte die Dame, ich hätte mich eben im Internet informieren oder am Schalter fragen müssen. Doch wenn ich eh am Schalter fragen muss, ob das Billett gültig ist, dann nützt mir der Automat nichts. So gings ein paar Minuten lang hin und her, bis die Schalterbeamtin sich bereit erklärte, ausnahmsweise die 9-Uhr-Karte gegen eine reguläre Tageskarte einzutauschen. Uff.

Ich weiss nicht, wie ein Rechtsanwalt dieses Problem beurteilen würde. Ich kann mir vorstellen, dass der Rechtsanwalt zum Schluss kommen könnte, dass es nicht korrekt ist, wenn die SBB am Automaten ein Billett verkaufen, das an zwei von sieben Tagen gar nicht gültig ist – ohne die Kunden vor dem Kauf über die eingeschränkte Gültigkeit zu informieren. Der Automat sagt mir nicht, dass die Karte seit neustem am Wochenende nicht mehr benützt werden kann, wie das Foto beweist:

Die Information, dass das Billett am Wochenende nicht mehr gültig ist, käme nur dann, wenn ich den i-Knopf drücken würde. Aber das genügt nicht – die SBB können von mir nicht erwarten, dass ich einen i-Knopf drücke, nur um zu schauen, ob ein Billett, das vor einem Jahr am Samstag gültig war, jetzt eventuell am Wochenende nicht mehr gültig sein könnte.

Die SBB müssten die Kunden unbedingt aktiv über die eingeschränkte Gültigkeit informieren. Dass das möglich wäre, beweist ein Foto, das mir der SBB-Railservice schickte, als ich mich dort beschwerte:
Das Foto zeigt einen Automaten des Verkehrsverbundes A-Welle in Baden. So muss es sein! Es ist also doch möglich, die Kunden korrekt zu informieren. Leider sind aber alle zwanzig Automaten in der Halle des Zürcher Hauptbahnhofs anders programmiert. Die SBB (und der Zürcher Verkehrsverbund) sollten sich ein Vorbild nehmen an der A-Welle!

Freitag, 1. Juli 2011

Die Erfindung von ABBA

Agnetha in der Küche: Man nehme einen Schuss Glamrock, eine Prise Phil Spector, alles kräftig umrühren...

Ich konnte nicht widerstehen, als ich im Jecklin eine Box mit allen ABBA-LP's stehen sah. 296 Franken für neun LPs ist ein fairer Preis. Her damit. Schliesslich steht heute in jedem Haushalt eine verstaubte Greatest-Hits-CD von ABBA. Dann ist es sicher erlaubt, sich das Gesamtwerk reinzuziehen. Vor allem, weil damit ein Erkenntnisgewinn verbunden ist. Ich wollte herausfinden, wie das ABBA-Konzept entwickelt wurde, anders gesagt: Wie ABBA erfunden wurde. Mit den LPs kann man die Entstehungsgeschichte besser verstehen als mit einer Greatest-Hits-Compilation.

Vor ABBA: Björn und Benny als Duo...
Anfang der 70er Jahre taten sich Björn und Benny zusammen und nahmen als Duo weichgespülte, wenig originelle Folk-Pop-Songs auf («She's My Kind Of Girl», «Love Has Its Ways»), die an die Schlager zweitrangiger englischer Gruppen der 60er Jahre erinnern. Mit diesem schwachen Material war eine internationale Karriere undenkbar. Nur der Refrain der 1972 veröffentlichten Single «En Carousel» erinnert an die ersten ABBA-Hits: Zwar ist die Struktur des Refrains simpel, aber ein Schuss Glamrock bringt Pfiff in die Sache.

... und mit Agnetha und Frida
Vorwärts gings erst, als Björn und Benny zwei Sängerinnen engagierten. Das war eine geniale Idee, denn die beiden Männer hatten doch eher fade Stimmen. Neben dem Einsatz von Glamrock-Stilelementen war der Beizug von Agnetha und Frida der zweite entscheidende Schritt bei der Erfindung von ABBA. Wie wichtig die Sängerinnen waren, zeigt das Lied «People Need Love». Ihre stimmliche Brillanz macht das Lied zum Ereignis. Die Studioproduktion ist auch wesentlich üppiger als die früheren Aufnahmen und erinnert an das Wall-of-Sound-Konzept von Phil Spector. Die Strophen beginnen zum Beispiel mit einem rückwärts eingespielten Akkord.

LP «Ring Ring» (1973)
Offenbar noch für den schwedischen Markt produziert und mit den Namen «Björn Benny & Agnetha Frida» bedruckt, beginnt die LP mit einer schwedisch gesungenen Version von «Ring Ring». Erstmals ist hier alles da, was ABBA berühmt machte: ein hämmernder Glamrock-Rhythmus, eine eingängige Melodie, die von Phil Spector beeinflusste Produktion, dazu der euphorisierende Gesang der beiden Frauen, und auch die beiden Männer dürfen kurz dazwischen blöken. Ansonsten ist die Platte durchzogen. Sie enthält auch den Hit «Nina Pretty Ballerina». Die anderen Songs sind weniger ABBA-typisch, aber durchaus originell und angenehm anzuhören. Das Stück «Disillusion» zeigt, dass auch Agnetha eine talentierte Songschreiberin war, sie durfte dieses Talent aber, abgesehen von diesem einen Stück, später nicht mehr zur Geltung bringen. Die Rollen waren verteilt: Die Männer komponieren, die Frauen singen.

LP «Waterloo» (1974)
Inzwischen hatte die Gruppe auch den Namen ABBA gewählt (und zum Glück Namen wie FABB oder Alibaba verworfen). Waterloo ist ein klassisches All-Killer-No-Filler-Album. Auch weniger spektakuläre Nummern wie «King Kong Song» rocken flott. In dichter Abfolge enthält die Platte bewegende Pop-Melodramen wie «My Mama Said» oder «Suzy-Hang-Around». Die Sehnsucht der in der Hochkonjunktur wohlhabend gewordenen Kleinbürger nach südlichen Ländern wird gekonnt bedient mit Schmachtfetzen à la «Hasta Manana» oder «Sitting In The Palmtree». Herrlich. Nur eine Frage bleibt offen: Woher bezogen zwei Songschreiber, die jahrelang fade Folk-Pop-Songs am Fliessband produziert hatten, plötzlich die Inspirationen, um ein Album mit epochalen, bewegenden Songs zu füllen? Die Antwort auf diese Frage kennen nur Björn und Benny. Vielleicht wissen sie es selber nicht.